Keine leichte Entscheidung
Die einen sagen: Mieten ist rausgeschmissenes Geld. Die anderen behaupten: Kaufen ist ein nicht enden wollendes Abzahlen von Darlehensraten. Recht hat wohl niemand. Oder alle. Je nach Perspektive. Sicher ist: Die Frage, ob Mieten oder Kaufen, stellt sich vielen Menschen im Lauf ihres Lebens. Oft sogar mehrmals. Was rät der Experte?
Seit mehr als 30 Jahren begleitet Alexander Benedetti Kunden auf der Suche nach dem passenden Dach überm Kopf. Haus oder Wohnung, Miete oder Kauf? Fast täglich ist der Immobilienmakler und Präsident der Südtiroler Maklervereinigung mit diesen Fragen konfrontiert. Eine Antwort kann er allerdings erst geben, wenn ihm die Kunden ein wenig aus ihrem Leben erzählen. Woher kommen sie? Wo arbeiten sie? Welche Ersparnisse stehen ihnen für ihr Vor-haben zur Verfügung? „Ganz entscheidend“, sagt Benedetti, „sind die Zukunftspläne der Personen. Nur wenn ich als Makler eine Vorstellung davon bekomme, kann ich die eine oder die andere Richtung einschlagen.“ Weitere Fragen, die sich stellen, sind also zum Beispiel: Soll eine Familie gegründet werden, oder steht erst einmal eine Karriere bevor, womöglich gar in einem internationalen Unternehmen Filialen im Ausland? Ist Südtirol nur eine Etappe auf dem Lebensweg oder ein sicherer Hafen? Aus all den Antworten und mit etwas Menschenkenntnis erahnt der Makler auch, wie seine Kunden „ticken“, denn darauf kommt es an. „Ich kann schließlich niemanden vom Kauf einer Wohnung überzeugen, wenn er sich trotz genügend Eigenkapital nicht fühlt, ein Darlehen über einen hohen Betrag aufzunehmen.“
Pro & Contra
Es gibt aber auch ganz allgemein gültige Richtlinien, die für und gegen Miete und Kauf von Wohnungen bzw. Immobilien sprechen. So stellt Alexander Benedetti klar: „Ein Kauf ist immer gleichzeitig eine Investition.“ Wer 20 Jahre monatlich seine Raten zahle, habe danach ein Kapital zur Verfügung, das er je nach Bedarf vererben, den Kindern schenken, verkaufen oder worin er einfach „gratis“ wohnen kann. Mietkosten seien hingegen unwiederbringliche Ausgaben. „Erst recht, wenn sich Mietkosten und Darlehensraten ungefähr decken, ist ein Kauf ins Auge zu fassen“, gibt der Makler zu bedenken. Selbstverständlich hänge die Entscheidung auch ein wenig vom vorhandenen Eigenkapital ab. Wenn das fehlt oder sehr gering ist und auch die berufliche und private Zukunft noch in den Sternen stehen, sei die Miete vorerst die bessere Option. „Auch wenn ein junges Pärchen zum ersten Mal in eine gemeinsame Wohnung einzieht, kann das Mieten zunächst sinnvoll sein.“ Wenn es in der Beziehung passt, könne man sich immer noch für einen Wohnungskauf entscheiden. „Aber ist eine Wohnung erst einmal gekauft und müssen Raten abgezahlt werden, wird es bei einer möglichen Trennung schwieriger.“ Was sowohl bei der Miete als auch beim Kauf beachtet werden muss, sind die Nebenkosten. „In der Regel werden die Mieter oder Käufer aber darüber im Zuge der Verhandlungen informiert, sodass es selten Überraschungen gibt“, weiß Alexander Benedetti. Generell seien die Nebenkosten bei der Miete geringer, ebenso die steuerlichen Belastungen, insbesondere, wenn der Vermieter die Pauschalsteuer (cedolare secca) anwendet.
Markt unter Druck
Egal, ob Kauf oder Miete – aktuell ist in Südtirol beides nicht einfach. Und teuer. Vor allem der Mietmarkt steht enorm unter Druck. Das hat mehrere Gründe. Einer davon ist laut Alexander Benedetti eine kontinuierliche Zuwanderung – auch von qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland, die in Südtirol leben möchten. Zum Teil kommen sie allein, zum Teil bereits mit einer mehrköpfigen Familie. „Diese Leute wollen selten sofort eine Wohnung kaufen“, weiß der Immobilienmakler. „Sie wollen mieten, um abzuwägen, ob und wo sie sich am Ende niederlassen, stellen aber schnell fest, dass es kaum Mietwohnungen gibt, schon gar keine größeren.“ Der Mangel an Mietwohnungen habe in Südtirol auch ein wenig mit der Tradition der Eigentumswohnungen sowie mit dem System der Bindung der Wohnungen für Ansässige (ehemalige Konventionierung) zu tun. „Bei uns ist der Eigentumsanteil mit 70 Prozent sehr hoch“, weiß Alexander Benedetti und betont, dass in den betreffenden Haushalten auch die Eigentümer selbst wohnen. In Österreich liege dieser Anteil im Vergleich bei etwa 48, in Deutschland gar nur bei rund 40 Prozent. Die Bindung für in Südtirol Ansässige sei zwar positiv, „aber wer in Immobilien investiert, um sie zu vermieten, meidet in der Regel Wohnungen mit einer Bindung.“ Somit fehle am Markt praktisch ein Teil der potenziellen Mietwohnungen. Um Druck aus dem Mietmarkt zu lassen, braucht es laut Alexander Benedetti ein Regelwerk, das die Südtiroler wieder dazu animiert, hier im Land in Wohnungen für die Vermietung zu investieren.
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