Nach Fest des Streits: Ist Trennung die Lösung?
Statt der ersehnten Harmonie flogen an den Festtagen die Fetzen. Auch der Rutsch ins neue Jahr löste nicht die Spannung in der Beziehung. Statt liebevoller gegenseitige Wünsche füreinander und Vorfreude auf das, was kommt, hämmert es im Kopf: Ich mach das nicht mehr mit! „Wer jetzt die Trennung als einzigen Ausweg sieht, sollte wissen: Mit der Trennung wird nicht automatisch alles besser“, sagt Paartherapeutin Piroska Gavallér-Rothe aus dem Schweizer Salenstein. Die Buchautorin („Wertschätzend Klartext reden“) empfiehlt im Interview die Energie besser in die Beziehung zu stecken statt in eine Trennung.
Steckt die Beziehung in einer Sackgasse und ist der Leidensdruck sehr hoch, dann ist es doch sehr vernünftig sich zu trennen. Warum sehen Sie das anders?
Piroska Gavallér-Rothe: Weg von dem, was einen stresst – das erscheint für Menschen, die in ihrer Beziehung leiden, sehr attraktiv. In der Trennungsidee steckt nämlich die Sehnsucht nach positiver Veränderung. Eine Trennung verursacht aber auch Folgeschäden, die das Leben nicht notwendigerweise leichter machen.
An was für Schäden denken Sie?
Gavallér-Rothe: Wer sich trennt, braucht eine zweite Wohnung, neue Möbel und oft auch ein zweites Auto. Womöglich kommen Kosten für die Scheidung hinzu. Das kann schnell in eine finanzielle Krise führen – insbesondere dann, wenn Kinder da sind und man wenig verdient. Eine Trennung ist aber auch psychisch belastend – für alle Betroffenen. Dass die Kernfamilie zerbricht, kann sogar Kinder mit Mitte zwanzig noch hart treffen. Sind die Kinder kleiner, ist die emotionale Last für sie noch größer. Und als alleinerziehendes Elternteil muss ich plötzlich alles allein stemmen und habe auch noch den ganzen Patchwork-Hickhack an der Backe. Das alles ist nicht zu unterschätzen.
Aber schafft eine Trennung nicht auch die Aussicht auf ein neues Liebesglück?
Gavallér-Rothe: Dafür muss man erst einen neuen Partner oder eine neue Partnerin finden. Und die Frage ist dann auch, ob dieser Mensch besser zu einem passt. In meiner Praxis erlebe ich oft, dass die alten Probleme in der neuen Beziehung wieder auftauchen.
Also könnte man mit dem Kitten der alten Beziehung das Problem abkürzen?
Gavallér-Rothe: Bevor alles aus den Fugen gerät, würde ich der bestehenden Beziehung in den meisten Fällen noch eine Chance geben. Allerdings: Mit Kitten allein wird man nicht weit kommen. Dass sich tiefgreifend etwas verändert, dafür muss man schon einiges tun.
Und das wäre?
Gavallér-Rothe: Als erstes hilft es, besser kommunizieren zu lernen, damit man auch über kritische Dinge so reden kann, dass nicht gleich ein Streit entsteht. Das allein kann schon viel Entspannung bringen.
Das klingt nachvollziehbar, aber auch so, als sei das noch nicht alles?
Gavallér-Rothe: Genau! Wichtig ist zweitens auch, die Wechselwirkungen zu verstehen, die zu Streit oder Rückzug führen. Da hat SIE beispielsweise Angst vor zu viel Nähe, ER hat die Tendenz zu klammern. Solche Dynamiken führen schnell in einen Teufelskreis. Je mehr Nähe ER einfordert, umso mehr zieht SIE sich zurück. Erst wenn man erkennt, was da passiert, kann man den Teufelskreis durchbrechen.
Klingt nicht so einfach, wenn das Verhalten des Partners einen stresst...
Gavallér-Rothe: Stimmt, denn jeder Mensch hat rote Knöpfe, bei denen er übermäßig stark oder wie im Autopiloten reagiert. Grund dafür sind biografische Einflüsse und alte Verletzungen. Sie hindern uns daran, gelassen zu bleiben und situativ angemessen zu reagieren und sind zumeist auch Treiber der gerade erwähnten Paardynamiken.
Wenn das Paar diese Erkenntnisse gewonnen hat, herrscht ja noch nicht Friede, Freude, Eierkuchen, oder?
Gavallér-Rothe: Die Erkenntnisse sind das eine, eine effektive Veränderung das andere. Reaktives Verhalten ist tief eingegraben und lässt sich nicht so leicht verändern. Um den Stress wirksam aus dem System zu bekommen, reicht es nicht aus, Blogposts zu lesen oder Podcasts zu hören.
Und wie geht es dann?
Gavallér-Rothe: Indem ich verstehe: Dort, wo ich übermäßig stark reagiere, sitzt ein verletzter Anteil in mir. Einfühlsam mit diesem Teil umzugehen und ihm innerlich das zu geben, was er im Außen schmerzlich vermisst – das gilt es zu lernen! Dann lässt der Stress nach und wir können gefasst reagieren – sogar dann, wenn der Partner oder die Partnerin mal wieder in unseren Schmerzpunkt trampelt. Was jetzt vielleicht nicht nach einer großen Sache klingt, ist das, was bei meiner Arbeit mit Paaren, die meiste Zeit in Anspruch nimmt.
Das heißt, ich mache meine Hausaufgaben und mein Partner kann tun, was er will?
Gavallér-Rothe: Überspitzt gesagt ja. Ich begleite auch Menschen, deren Partner oder Partnerin keine Begleitung wollen. Und da ist es immer wieder beeindruckend zu sehen, wie viel positive Wirkung sie auch allein erzielen können. (dpa/tmn)
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