Neue Stadt, neue Freunde, eine Beförderung im Job – was einen selbst bereichert, kann eine Partnerschaft belasten. Und das aus ganz unterschiedlichen Gründen. Doch wer sich den Problemen stellt und sie bewusst angeht, kann seine Beziehung sogar stärken, meinen Experten. Und nicht immer ist die Veränderung auch wirklich die Ursache für eine Krise. Henning Matthaei arbeitet seit 1994 als Coach und erlebt im Job häufiger Paare, deren Alltag beispielsweise durch eine veränderte Arbeitsbelastung eines Partners durcheinandergeraten ist. „Bei größeren Veränderungen besteht erheblicher Gesprächsbedarf zwischen den Partnern – und zwar schon vor der Entscheidung“, sagt der Experte.
Räumliche Trennung kann Belastungsprobe werden
Ein Paar sei ein eingespieltes System. „Große Veränderungen bringen das System ins Wackeln.“ In einer Beziehung sollten beide die Auswirkungen der Entwicklung teilen, immer wieder miteinander darüber sprechen, empfiehlt Matthaei. „Das Neue sollte sozusagen mitgenommen, in das Paarleben integriert werden.“
Auch Umzüge stellten die Liebe manchmal auf die Probe. Bei einer räumlichen Trennung bräuchten beide die Gewissheit, dennoch füreinander da zu sein, meint der Coach. Er empfiehlt, lieber zu telefonieren als WhatsApp-Nachrichten zu schreiben. Gespräche könnten eher den Austausch am Frühstückstisch oder abends auf dem Sofa ersetzen. „Sie sollten versuchen, diesen Alltag in abgespeckter Form weiterzuführen.“ Dafür müssten sich beide aber Zeit nehmen.
Paartherapeutin Vera Matt kennt mögliche Gefühle, wenn einer der Partner ein neues Leben lebt: „Jede Veränderung verunsichert. Man ist nicht mehr so souverän“, sagt sie. „Und Veränderungen, beispielsweise, wenn einer der Partner befördert oder auch arbeitslos wird, verändern die Augenhöhe des Paares.“ Wenn ein vorher gleichwertiger Partner plötzlich aufsteigt, werde die Beziehung oft zum Machtkampf. Sie kennt das vor allem von Künstler-Paaren, die immer wieder mit einzelnen Projekten sehr erfolgreich sind – und sich dann wieder neu aufstellen müssen.
Um Missgunst-Gefühlen entgegenzuwirken, hat die Expertin einige Tipps parat. „Man sollte diese Schaukel akzeptieren. Mal bin ich oben, mal der andere.“ Wichtig sei es, bei sich zu bleiben, nicht in Konkurrenz zu treten, sagt Matt. Wer das nicht schaffe, solle versuchen, an sich selbst zu arbeiten, statt den anderen abzuwerten. „Etwas tun, das die eigene Augenhöhe wieder nach oben treibt, das Selbstbewusstsein verleiht.“ Der erste Schritt zur Besserung sei die Erkenntnis, dass etwas in Schieflage geraten ist – „und dass genau das normal ist“.
Unterschiede treten in den Vordergrund
Brigitte Koch kennt das Problem ebenfalls aus ihrer Praxis für Paartherapie – aber auch aus ihrer eigenen Beziehung. Vor 20 Jahren entschieden ihr Mann und sie sich für eine „Wochenend-Ehe“ – zugunsten der Karriere ihres Mannes. Ihren Klienten rät sie, sich nicht abhängig vom Partner zu machen und ihr Leben trotz der Liebe selbst zu gestalten. Außerdem solle man nicht die Situation beklagen, die sich oft sowieso nicht ändern lasse, sondern das Beste daraus machen.
Berater Matthias Angelstorf sieht nur selten, dass eine Veränderung im Leben einer der Partner wirklich die Ursache für eine Krise ist. „Was häufiger passiert, ist, dass Unterschiede, die schon immer da waren, plötzlich in den Vordergrund treten“, sagt er. „Diese Unterschiede wurden nur am Anfang ignoriert – oder sie waren aus anderen Gründen nicht so relevant.“
Darüber hinaus könnten viele Paare mit großen Unterschieden glücklich sein, solange sie ein starkes emotionales Band miteinander haben. „Beziehungen scheitern weniger häufig an Unterschieden. Häufiger scheitern sie daran, dass Partner irgendwie, irgendwann den emotionalen Kontakt miteinander verloren haben.“
Eine intakte Beziehung sei so widerstandsfähig, dass sie Umzüge und Jobwechsel gut verkraften könne, sagt Angelstorf. „Das Paradox von sicherer Bindung ist, dass wir umso selbstständiger und unabhängiger sein können, je mehr wir aus Erfahrung wissen, dass wir auf die emotionale Unterstützung unseres Partners zählen können.“ (dpa)
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