Manche Vorgesetzte sehen ihre Aufgaben vor allem darin, die Arbeit ihres Teams rund um die Uhr zu kontrollieren. Das zehrt an den Nerven der Beschäftigten. Aber: Lässt sich dagegen etwas tun?
Kontrollwut, nichts als Kontrollwut: Genau das zeichnet manche Führungskräfte aus. Gerade in Zeiten von Homeoffice und flexiblen Arbeitszeiten haben sie die Befürchtung, dass ihnen der Überblick über die Leistungen ihrer Mitarbeitenden entgleitet. Anstatt gegenseitiges Vertrauen walten zu lassen, stellen sie immer mehr Regeln auf. Fehler sollen am besten von vornherein unterbunden werden.
Analog zu Helikopter-Eltern, die ihren Nachwuchs keine Sekunde aus den Augen lassen können, mischt sich der Helikopter-Boss ständig ungefragt ein. Er will am liebsten über jedes Detail informiert sein, gibt gut gemeinte Ratschläge und geht damit allen auf die Nerven. Das hemmt Abläufe, drückt auf die Stimmung und macht Beschäftigte unzufrieden. Mehr noch: Es kommt zu Produktivitätsverlust.
Handlungsspielraum verbessert Ergebnisse
Mitarbeitende ohne zu kleinschrittige Vorgaben sind erfolgreicher, das zeigen Untersuchungen. „Umgekehrt gilt, dass je kleiner der abgesteckte Handlungsspielraum ist, desto schlechter sind die Arbeitsergebnisse“, sagt Karriereberaterin Ragnhild Struss. Durch die Kontrollwut des oder der Vorgesetzten kommt es ständig zu Unterbrechungen des Workflows. „Zu viele unnötige Absprachen sind große Zeitfresser – Zeit, die dann woanders fehlt.“
Doch wie stoppt man kontrollwütige Chefs wieder? „Der beste Weg ist, Transparenz zu schaffen und dadurch mit dem oder der Vorgesetzten ein besseres Miteinander zu kommen“, sagt die Karriereberaterin Hanne Bergen. Gemeinsame Sache sollte ein Team dabei nicht machen. „Dann könnte sich die Führungskraft schnell in die Ecke gedrängt fühlen und es kommt eine negative Stimmung auf.“
Individuelle Lösungssuche mit der Führungskraft
Besser ist es, wenn jeder Einzelne das Gespräch mit der Führungskraft sucht. Dabei bringen die Beschäftigten ihre Befindlichkeiten im Umgang mit dem oder der Vorgesetzten zur Sprache. Wichtig: „Immer aus der Ich-Perspektive schildern, was das übermäßige Kontrollieren mit einem macht, welche negativen Emotionen das bei einem auslöst und wie sich das auf Ergebnisse auswirkt“, rät Struss.
Empfehlenswert ist es auch, die Art von Wertschätzung anzusprechen, die man sich wünscht und die einen motiviert. Ziel des Gesprächs sollte das Aufzeigen der Diskrepanz von erwünschtem Zweck und tatsächlicher Wirkung sein, um sich im Anschluss darauf zu einigen, dass beide Parteien das gleiche wollen – nämlich bestmögliche Projektabschlüsse erreichen.
„Anschließend könnten beide Seiten die 'Wie'-Frage stellen“, sagt Ragnhild Struss. Wie kann man erreichen, dass die Führungskraft sich sicher fühlt und der Mitarbeitende eigenverantwortlich und motiviert an der Lösung der Aufgaben arbeiten kann? Denkbar ist etwa, der Führungskraft bei einem regelmäßigen Termin den Status quo darzulegen und alle wichtigen Informationen zu laufenden Aufgaben und Projekten aufzubereiten. „Dies erfolgt am besten schriftlich oder grafisch, so dass die Führungskraft das Gefühl von 'Informationen in der Hand' hat“, so die Beraterin.
Wichtig ist auch, am Vertrauensverhältnis zu arbeiten. Dazu tragen Beschäftigte zum Beispiel bei, indem sie von sich aus den ersten Schritt machen und dem oder der Vorgesetzten so oft wie möglich zuvorzukommen. „Ergreifen Sie die Initiative und warten Sie nicht ab, bis Sie gefragt oder überprüft werden“, empfiehlt Struss. Unaufgefordert kleine Statusberichte zu schicken, führt beim Gegenüber zum Gefühl von Vertrauen – die notwendige Basis, um die Zügel der Kontrolle irgendwann lockerer lassen zu können. Auch Fehler sollten Beschäftigte direkt offen kommunizieren. „Das stärkt die Vertrauensbasis“, sagt Hanne Bergen.
Kontrollwut nicht zu stark auf sich selbst beziehen
Vor allem in Phasen, in denen Beschäftigte von der Kontrollwut ihrer Führungskraft regelrecht genervt sind, gilt: Das Verhalten des Vorgesetzten bloß nicht zu stark auf sich beziehen. Bevor man das eigene Potenzial in Frage stellt, muss man erkennen, dass das Problem nicht in der eigenen Person liegt. „Das schafft bereits Distanz und neue Handlungsmöglichkeit für die Problemlösung“, sagt Struss.
Sollten alle Lösungswege nicht zum gewünschten Ergebnis führen, könnte ein Gespräch mit der nächsthöheren Führungskraft oder der Personalabteilung ein weiterer Versuch sein. Dabei kann es hilfreich sein, sich mit Kollegen über die eigene Notlage auszutauschen. Gemeinsam könnten Sie dann auf ein strukturelles Führungsproblem im Unternehmen aufmerksam machen.
Manchmal hilft nur der Job- oder der Abteilungswechsel. „Der bietet sich dann an, wenn man sich permanent ausgebremst fühlt“, sagt Hanne Bergen. Wichtig: Selbst wenn der Entschluss zu gehen feststeht, sollten Beschäftigte weiter gute Arbeit leisten. „Micromanager haben gerne Recht – und Sie wollen die falschen Befürchtungen der schlechten Führungskraft ja nicht auf den letzten Metern noch bestätigen und damit ein schlechtes Arbeitszeugnis riskieren“, so Struss. (dpa/tmn)
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