Arbeitsunfall – Das gilt es zu beachten
Durchschnittlich werden 1370 Arbeitsunfälle pro Tag in Italien registriert, mit steigender Tendenz in den letzten Jahren. Neue Formen des Arbeitens bringen auch neue Herausforderungen beim Thema Arbeitssicherheit mit sich. Auch Arbeitnehmer tragen Verantwortung. Und auch beim Thema Telearbeit und Arbeitsunfall gilt es einiges zu beachten.
Die Zahl der Arbeitsunfälle steigt, sowohl national als auch lokal. Bei der Zahl der Arbeitsunfälle mit tödlichem Ausgang im Jahr 2023 liegt Italien in der EU-Statistik auf Platz 8, hinter Frankreich, Rumänien und Österreich. Und auch in der Region Trentino-Südtirol ist die Zahl der Arbeitsunfälle in den ersten 6 Monaten 2024 gegenüber dem Vorjahr stark angestiegen. Und zwar um fast 10 Prozent. 13.981 Arbeitsunfälle wurden im ersten Halbjahr 2024 verzeichnet. Besorgniserregend ist vor allem der Anstieg tödlicher Arbeitsunfälle. In der Region gab es insgesamt 19 Arbeitsunfälle mit tödlichem Ausgang, 10 davon in Südtirol. Vorsicht und Prävention sind wichtige Bausteine zur Vermeidung von Arbeitsunfällen. Und auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst sind zur Verantwortung gemahnt.
Arbeitsunfall – was nun?
Von einem Arbeitsunfall spricht man immer dann, wenn sich Angestellte oder Arbeiterinnen während der Arbeitszeit oder auf dem Weg zur und von der Arbeit oder auf dem Weg zwischen zwei Dienstsitzen verletzen. Nach jedem Arbeitsunfall ist sofort der Arbeitgeber zu informieren. Außerdem muss der Unfall von unabhängiger Stelle, nämlich der Notaufnahme oder einem diensthabenden Arzt, attestiert werden. Diese stellen eine Diagnose und eine Arbeitsunfall-Bescheinigung aus und legen fest, wie lange die betreffende Person nicht arbeitsfähig ist. Diese Bescheinigung muss unmittelbar dem Arbeitgeber übermittelt werden, weil sie essenziell ist für die elektronische Unfallmeldung beim INAIL. Im Unterschied zu einer Krankmeldung bei Krankheit oder Freizeitunfall gelten für den Arbeitnehmer im Falle eines Arbeitsunfalls keine Verpflichtungen, täglich zu bestimmten festgelegten Uhrzeiten zu Hause zu sein. Die Meldung beim INAIL muss innerhalb von 48 Stunden nach dem Unfall in elektronischer Form erfolgen. Eine verspätete Meldung hat Strafen zur Folge. Die ersten vier Tage, also der Tag des Unfalls und die folgenden drei Tage, werden voll zu Lasten des Arbeitgebers entlohnt. Ab dem 5. Tag übernimmt das Unfall-Amt INAIL die Entlohnung zu einem meist vom Kollektivvertrag abhängigen Prozentsatz.
Unfälle vermeiden mit Schulungen und Kommunikation
Die Richtlinien der Europäischen Union in Bezug auf die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz werden im Italienischen Gesetzesdekret Nr. 81 vom 9. April 2008 geregelt. Dabei wurde ein kooperativer Ansatz für die Risikobewertung eingeführt, der sich auf die Vermeidung von Unfällen und die Erhaltung des Wohlergehens der Arbeitnehmer in Italien konzentriert. Die Verantwortung schultert demnach auf Arbeitgeber, Führungskraft, verantwortlichen Personen und den Arbeitnehmern selbst. Regelmäßige allgemeine und fachspezifische Kurse sind zu absolvieren. Mit Kommunikation und viel Theorie wird das Thema regelmäßig aufgegriffen. Sensibilisierung lautet die Devise. Leider bleibt diese viel zu oft in der Theorie verhaftet. Und die Statistiken zeigen: Die Zahl der Arbeitsunfälle steigt – trotz verpflichtender Theorie-Stunden.
Arbeitsunfall im Home Office?
Neue Formen des Arbeitens stellen auch neue Anforderungen an das Thema Arbeitsunfall. Bekanntlich wird vom INAIL als Arbeitsunfall nicht nur jeglicher Unfall ..., der während der Arbeitszeit erfolgt, sondern auch der Weg von und zur Arbeit unterliegt diesem Schutz. Artikel 23 des Gesetze Nr. 81/2017 weitet den INAIL-Schutz auch auf das smarte Arbeiten aus, wenn die Verletzung in direktem Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stehen. Im Falle eines Unfalls muss der Arbeitnehmer den Vorfall so melden, als ob er sich im Unternehmen ereignet hätte, und ihn detailliert beschreiben. Konkret heißt es im INAIL-Rundschreiben: Was die besonderen Aspekte der flexiblen Arbeit betrifft, so sind Unfälle, die sich während der Arbeit außerhalb des Betriebsgeländes und an einem vom Arbeitnehmer selbst gewählten Ort ereignen, geschützt, wenn sie durch eine mit der Arbeitsleistung verbundene Gefahr verursacht werden.
Hier begibt man sich nun auf dünnes Eis: Ein Unfall, der sich während Telearbeit oder Smart Working ereignet, ist laut INAIL also nur dann entschädigungsfähig, wenn ein Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit besteht. Das bedeutet, dass es nicht ausreicht, dass sich das Ereignis an dem für das Smart Working gewählten Ort (z. B. der Wohnung) ereignet, sondern dass ein Zusammenhang mit der Arbeit bestehen muss.
Wie beim Wegeunfall gibt es also auch beim Arbeitsunfall im Smart Working viele Grauzonen. Sicher ist, dass ein Unfall in der Wohnung nicht automatisch in die Zuständigkeit des INAIL fällt, nur weil der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt zu Hause im Smart Working war. Im Oktober 2024 hat das Mailänder Gericht in erster Instanz aber einer Klägerin recht gegeben. Sie hat im Smart Working gearbeitet und sich während einer regulären Freistunde außerhalb der Wohnung verletzt. Das INAIL hatte sich auf das oben genannte Rundschreiben von 2017 bezogen und den Arbeitsunfall als solchen nicht akzeptiert. Die Arbeitnehmerin legte Berufung ein und hat nun in erster Instanz recht bekommen. Das Gericht erklärte, dass Arbeitnehmer während der gesetzlich und tarifvertraglich geregelten Freistellungen und Pausen weiterhin den Schutz genießen, der für in die Arbeitszeit einbezogene Tätigkeiten vorgesehen ist. Auch wenn es sich um flexible Arbeit handelt.
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