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Präkrastination: Ist es wirklich besser, alles sofort zu erledigen? Oder kann es zur Krankheit werden?
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Wer prokrastiniert, erledigt vieles auf den letzten Drücker. Will man hingegen alles möglichst fix abarbeiten, klingt das erstmal positiv. Nur: Ist es das immer?

Wenn wir ehrlich sind, kennen wir es eigentlich alle: Wir bereiten uns nicht rechtzeitig aufs Meeting vor und checken stattdessen lieber erst mal E-Mails, machen die Zeiterfassung kurz vor knapp oder schieben die Präsentation ewig vor uns her. Dauernd zu prokrastinieren, kann mühsam sein – und stressen. Doch es gibt auch Menschen, die nichts aufschieben und alle Aufgaben möglichst schnell vom Tisch haben wollen.
Was erst mal produktiv wirkt, kann allerdings zum Problem werden – auch im Job. Das Stichwort: Präkrastination. Was steckt dahinter?
Entdeckt wurde die Präkrastination als Zufallsprodukt eines Experiments zur Prokrastination: In einem Versuch des US-Psychologen David Rosenbaum im Jahr 2014 sollten Probanden Eimer von A nach B transportieren. Manche standen näher, andere weiter weg vom Ziel. „Viele bevorzugten den Eimer, der näher bei ihnen stand, und trugen diesen zuerst bis ins Ziel, obwohl es mehr Aufwand bedeutete“, sagt Christopher Gehrig von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Die Forschenden nannten das Phänomen Präkrastination.

Hinter Präkrastination kann Angst stecken
Zunächst wurde Präkrastination als das Gegenteil der Prokrastination verstanden. „Das stimmt so aber nicht, es ist ein eigenes Phänomen“, erklärt Gehrig, der seine Doktorarbeit dem Thema gewidmet hat. Eine seiner Erkenntnisse: Nicht jeder, der nicht prokrastiniert, präkrastiniert automatisch, etwa im Job. Manche legen auch eine relativ „normale“, ausgeglichene Arbeitsweise an den Tag.
Laut dem Professor für Wirtschaftspsychologie Florian Becker lässt sich Präkrastination als der Drang, alles sofort zu erledigen, definieren. „Und mit alles ist dann wirklich alles gemeint, mit allen Problemen, die sich daraus ergeben.“
Die Forschung zur Präkrastination nimmt Gehrig zufolge zwar gerade erst Fahrt auf, doch für ihn steht bereits fest: Präkrastination kann einen Anteil von Angst und Zwang haben. „Manche Menschen präkrastinieren aus Angst davor, die Aufgabe nicht rechtzeitig erledigen zu können“, sagt Gehrig. „Das kann unerkannt und unbehandelt zu einem krankhaften Muster werden.“ Im Extremfall führe das nicht nur zu Selbstausbeutung, sondern auch zu Burn-out oder Depression.
Becker sieht in der Präkrastination „eine perfide Art von Prokrastination“. Die eigenen Visionen und Ziele, etwa die Gesundheit, Beziehungen oder generell die Zukunft betreffend, würden vernachlässigt und aufgeschoben. Wer präkrastiniert, gestaltet sein Leben „nicht proaktiv selbst“. Stattdessen verbrächten Betroffene ihre Zeit mit Aufgaben, die gar nicht wichtig oder dringend sind, hätten dann aber das gute Gefühl, alles erledigt zu haben. „Sie verfolgen eine oberflächliche Betäubung, anstatt sich mit sich selbst zu beschäftigen.“

Wenn eifriges Abarbeiten ausgenützt wird
Wer alles sofort abhakt, mag vordergründig beliebt sein. „Solche Menschen sind natürlich hoch angenehm, alle freuen sich darüber, dass die Aufgaben abgearbeitet werden“, so Becker. Häufig falle es Betroffenen jedoch schwer, Grenzen zu ziehen und sich selbst zu schützen. Andere könnten das ausnutzen.
Außerdem denkbar: „Die Präkrastinierenden verlieren Respekt, weil sie der Führungskraft zeigen, was möglich wäre und den Standard für das gesamte Team anheben“, sagt der Psychologieprofessor. Das stößt nicht immer auf Gegenliebe. Dazu kommt: Wenn man das Gefühl hat, sofort jede E-Mail beantworten zu müssen, unterlaufen einem früher oder später Fehler. Zudem steigt der Stresspegel, so Becker. „Wer präkrastiniert, neigt zu Multitasking, man lässt sich häufig unterbrechen und muss sich immer wieder neu eindenken.“ Das dauert nicht nur länger, sondern erzeugt zusätzlich Stress.

Aufgaben nach Wichtigkeit sortieren
Was aber können Sie tun, wenn Sie dazu neigen, Aufgaben zu schnell abzuhaken und dabei vielleicht sogar Fehler zu machen? „Die Punkte, die beim Prokrastinieren helfen, helfen hier ebenso“, sagt Becker. Beide Experten setzen vor allem auf eines: Struktur. Gehrig empfiehlt, Aufgaben nach ihrer Wichtigkeit zu sortieren und einzuschätzen, wie lange man für die einzelnen Schritte benötigt. Daraus ergebe sich ein Zeitplan, den man in den Kalender eintragen könne.
Vermeiden sollte man hingegen Unterbrechungen, etwa durch Nachrichten auf dem Smartphone. Hier kann es helfen, das Handy zur Seite zu legen. Auch die Arbeit im Homeoffice kann sinnvoll sein, um Ablenkungen durch Kollegen zu verringern. Und wenn es denn möglich ist, kann auch der seltenere Blick ins E-Mailpostfach eine gute Idee sein. Becker schlägt etwa vor, E-Mails nur einmal am Tag abzurufen.
Wer schlecht „Nein“ sagen kann, sollte ihm zufolge zudem Menschen meiden, die grenzverletzend sind. Voraussetzung dafür: Das Verhalten überhaupt erkennen und sich der eigenen Grenzen bewusstwerden. Außerdem wichtig: Sich nicht überrumpeln lassen. Ein „Nein“ können Sie dann mit kleinen Schritten üben, um Selbstbewusstsein zu tanken. Die Anfrage eines Kollegen lässt sich beispielsweise aufschieben, indem Sie sagen: „Ich mache mir Gedanken dazu und komme darauf zurück.“ Vielleicht kann man in dieser Form sogar der Prokrastination noch etwas Positives abgewinnen. (dpa/tmn)

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