Wer zur Aufschieberitis neigt, bekommt oft zu hören: Setzen Sie sich eine Frist, arbeiten Sie mit Deadlines! So weit, so gut. Aber wenn man ehrlich ist, weiß man insgeheim ja doch, dass eine solche Deadline auch im Job häufig nicht unaufschiebbar ist und nimmt sie vielleicht nicht allzu ernst. Auf der anderen Seite: Wird eine sehr knappe Frist von oben festgelegt, sorgt das für Stress und mitunter auch für Frust. Ist es überhaupt sinnvoll, mit dieser Methode zu arbeiten? 2 Arbeitsforscherinnen erklären die Psychologie hinter den Deadlines.
Deadline macht's möglich: Im Endspurt zum Ziel
Hannah Schade, Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Technischen Universität (TU) Dortmund, sagt: Gerade in Zeiten von Corona sei Struktur enorm wichtig. Wer zu viele Freiheiten hat, verzettele sich oft leicht: „Deadlines bringen Struktur in das Sammelsurium an To-dos.“
Außerdem ermöglichen Deadlines einen Endspurt. „Wenn man weiß, dass die Arbeit mit der Abgabe zum Zeitpunkt X vorbei ist, kann man seine Produktivität oft noch steigern“, sagt Schade. Wenn es diesen Endpunkt nicht gibt, seien Menschen weniger produktiv.
Wer sehr hohe Ansprüchen an die eigene Arbeit hat, für den ist eine Deadline außerdem eine gute Möglichkeit, irgendwann einen Punkt zu setzen statt immer weitere Verbesserungen anzustreben.
Deadlines in Zielsetzung einbetten
Allein mit dem Setzen einer Frist ist es aber nicht getan. Grundsätzlich sollten Deadlines in eine gelungene Zielsetzung eingebettet sein, sagt Corinna Peifer, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie am Institut für Psychologie der Universität zu Lübeck. Dabei hilft das sogenannte SMART-Prinzip. Die 5 Buchstaben stehen für spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert. Es sollte spezifisch festgehalten werden, was erledigt werden soll und wie das Endprodukt aussehen soll. Dazu sollten Eckpunkte festgelegt werden, um das Ergebnis daran messen zu können. Man sollte außerdem einen Sinn in der Aufgabe sehen, was sie attraktiv macht. Und die Deadline sollte realistisch gesetzt und klar terminiert sein.
„Wichtig ist vor allem, sich nicht zu viel vorzunehmen. Sonst ist eine Deadline demotivierend, sorgt für Stress und Frust“, sagt Peifer. Die Arbeit dürfe fordernd sein, auch Zeitdruck wirke sich zumindest kurzfristig durchaus positiv auf die Leistung aus. Aber nur, wenn die Aufgaben trotzdem machbar erscheinen.
Arbeiten im Flow
„Ein Sprint zwischendurch ist okay, aber Erholungsphasen sind wichtig“, sagt Peifer, die auch zum sogenannten Flow-Erleben forscht. In einem solchen Flow tauchen wir tief in unsere Arbeit ein, sind sehr konzentriert und produktiv. Um diesen Zustand zu erreichen, helfen klare Ziele, die uns optimal fordern. Beitragen kann dazu eine realistische Deadline, zu der wir fertig werden wollen oder müssen.
Hannah Schade rät zu etwas, was in vielen Bereichen für mehr Verbindlichkeit sorgen kann: soziale Kontrolle. Man könne den Kollegen zum Beispiel eine Präsentation seiner Ergebnisse vorschlagen, bevor man das fertige Endprodukt abliefern muss. So ist auch noch Zeit, um mögliche Verbesserungsvorschläge einzuarbeiten.
Für Profis: Arbeiten mit der Doppeldeadline
Schade empfiehlt außerdem, immer einen Puffer einzuplanen, „und der sollte nicht der Feierabend und auch nicht das Wochenende sein.“ Besser sei es, sich selbst eine Art Doppeldeadline zu setzen, also einen Termin vor dem eigentlichen Abgabedatum festzulegen.
Und dieser Puffer sollte größer sein als man vielleicht denkt: „Man schafft nie so viel, wie man sich vornimmt“, sagt Peifer. Um einen angemessenen Puffer einzubauen, muss man natürlich seine Arbeit planen. Dazu empfiehlt die Expertin die sogenannte ALPEN-Methode des Ratgeber-Autors Lothar Seiwert:
- A steht für Aufgaben aufschreiben, also eine To-do-Liste erstellen
- L steht für Länge abschätzen
Konkret geht es darum, die Dauer der einzelnen Aufgaben abzuschätzen. Dabei sollte man auf seine Erfahrungswerte zurückgreifen. Gleichzeitig gilt zu berücksichtigen, wie viel Zeit man für eine Aufgabe überhaupt aufbringen möchte.
- P meint: Pufferzeit einplanen
Die ALPEN-Methode sieht vor, höchstens 60 Prozent der Arbeitszeit fest zu verplanen. Der Rest dient als Puffer. Das sei zwar sehr großzügig bemessen, sagt Peifer, aber: „Lieber unvorhergesehen mehr schaffen, als häufig ins Hintertreffen zu geraten. Denn das macht auf Dauer unzufrieden.“
- E steht für Entscheidungen treffen
Das sieht vor allem eine Priorisierung der Aufgaben vor. Dafür kann man wiederum die sogenannte Eisenhower-Methode anwenden: Aufgaben werden eingeteilt in „wichtig“ oder „unwichtig“ und „dringend“ oder „nicht dringend“.
Dann erstellt man eine Art Ranking: Was wichtig und dringend ist, hat Vorrang, was unwichtig und nicht dringend ist kann man im besten Fall delegieren. Besonderes Augenmerk sollte man auf Aufgaben legen, die wichtig, aber nicht dringend sind, empfiehlt Peifer: „Dafür muss man Zeit einplanen, und genau für diese Aufgaben machen künstliche Deadlines Sinn. Sonst fallen diese Aufgaben hinten runter.“
- N steht zum Schluss für das Nachkontrollieren
Am Ende des Tages sollte reflektiert werden, ob man tatsächlich erreicht hat, was man sich vorgenommen hat. Genauso sollte man prüfen, ob die vorgenommene Zeiteinteilung realistisch und haltbar war. (dpa/tmn)
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