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Psychologie: Wann das Teilen intimer Probleme am Arbeitsplatz zum „Oversharing“ wird
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© Shutterstock

Liebeskummer, Geldprobleme, Zipperlein: Auch am Arbeitsplatz teilt man manchmal seine Sorgen und Nöte. Doch wie viel ist zu viel?

Manche Dinge aus dem Leben anderer will man eigentlich lieber gar nicht wissen. Erzählen Freunde oder Angehörige dann einfach weiter bis ins letzte Detail, kann man schon mal „Stopp“ sagen. Doch wie sieht das eigentlich im Job aus – und welche Infos aus dem Privatleben passen hierher?
Für den Psychologen und Buchautor Rolf Schmiel („Psychohacks für ein glückliches Leben“) ist die Grenze zwischen einem vertraulichen Gespräch und einem Übermaß an privaten Informationen eindeutig: „Oversharing“, also zu viel zu teilen, bedeutet, dass man Intimes unaufgefordert anderen erzählt. Und zwar dort, wo es üblicherweise nicht hingehört. „Wenn ich meiner Lebenspartnerin berichte, dass ich ein eingewachsenes Haar am Po habe, ist das schon sehr intim. Aber wenn ich das einer Arbeitskollegin erzähle, ist die Grenze des üblichen Rahmens durchbrochen“, so Schmiel.
Das mag unangemessen sein. Doch wer einmal im Eifer des Gefechts ein wenig zu intime Infos preisgibt, muss deswegen noch kein dauerhaft problematisches Oversharing betreiben. Anders kann das aber aussehen, wenn man regelmäßig und intensiv überaus private Dinge teilt. Und dazu zählen nicht nur Berichte über eingewachsene Haare oder Zehennägel. Auch Probleme in der Beziehung oder finanzielle Schwierigkeiten können recht intim sein.

Einseitige Gespräche vermeiden
Klar, es gibt bereichernde Momente, in denen sich Kollegen öffnen, man schwierige Lebenssituationen oder Karrieredesaster miteinander teilt und so mehr Verständnis füreinander entwickelt. „Schwierig wird es aber, wenn eine Person wie selbstverständlich im Kollegenkreis persönliche Dramen ungefragt mitteilt“, sagt Betriebswirtin Dorothea Assig, die gemeinsam mit Dorothee Echter Klienten im Topmanagement berät.
Gerade in Zeiten, in denen teils jedes noch so private Detail in sozialen Medien geteilt wird, wirken die Grenzen allerdings oft fließend. „Es scheint selbstverständlich und erwünscht zu sein, sich authentisch zu zeigen, mit allen Schwächen, Krankheiten und Misserfolgen“, sagt die Münchner Soziologin Dorothee Echter. Dieser Eindruck täusche jedoch.
„Oversharing ist einseitig, kein vertrauliches Gespräch, es entspringt dem Bedürfnis, sich selbst zum interessanten Mittelpunkt zu erheben“, sagt Assig. Die Menschen drumherum werden quasi zum Zuhören verpflichtet. Für Dorothee Echter ist Oversharing dann auch eine Kontaktstörung. „Jemand will Mitgefühl erzwingen und bekommt stattdessen Scham und Distanz – die jedoch nicht geäußert werden.“
Doch nicht jedes Thema oder Gespräch muss im Job unkommentiert ertragen werden. „Keiner hat das Recht, meine kommunikative Privatsphäre vollzumüllen. Ich lasse auch nicht zu, dass jemand eine Rolle Toilettenpapier auf meinen Schreibtisch legt“, sagt Schmiel.
Zur schädlichen Selbstoffenbarung gehören ihm zufolge deshalb immer auch 2 Seiten: „In der Belegschaft hat derjenige, der regelmäßig Oversharing erlebt, einfach selbst auch ein echtes Abgrenzungsproblem“, sagt Schmiel. „Die Verantwortung ist fifty-fifty. Es sei denn, das Oversharing wird vom Chef betrieben.“ Hier lasse man es oft in der Sorge über sich ergehen, dass genervtes Augenrollen negative Konsequenzen haben könnte. Ein Rat von Dorothea Assig: „Wenn Sie nicht in allen Details schwierige persönliche Dramen mitgeteilt bekommen möchten, dann sagen Sie es so, dass sich die andere Person nicht beschämt fühlt.“ Denn wer sich bevormundet oder oberlehrerhaft behandelt fühlt, geht schließlich schnell in die Gegenwehr. Sagen könnte man aber beispielsweise: „Bitte entschuldige, ich fühle mich nicht wohl, ich bin nicht die richtige Person für dieses Gespräch, denn ich kann dazu gar nichts sagen.“
Rolf Schmiel empfiehlt „Ich-Botschaften“ zu verwenden, die erklären, warum einen die entsprechende Information belastet, irritiert – oder man sie für unangemessen hält. Einleiten könnte man das Gespräch dann mit Worten wie: „Vielleicht bin ich selbst ein bisschen zu empfindlich. Aber bei mir haben deine Schilderungen folgende Wirkung ...“. Im Idealfall nimmt man sich Zeit dafür und wählt eine entspannte Situation – vielleicht bei einem gemeinsamen Spaziergang.

Die künftige Rolle mitdenken
Und auch Vorgesetzte müssen nicht zwangsläufig davon ausgenommen werden. „Wenn es einmalig ist, kann man ruhig auch mal verständnisvoll und großzügig sein“, so Schmiel. „Auch Führungskräfte sind Menschen und machen etwas falsch, da kann Oversharing die Konsequenz von Druck und Stress sein.“ Werden Grenzen jedoch konsequent überschritten, ist ein persönliches Gespräch angebracht.
Und was, wenn man selbst zu schnell zu viel von sich preisgegeben hat? „Dann kann ich souverän zur Chefin oder zum Kollegen sagen: Ich war so traurig, angespannt, wütend, dass ich nicht gemerkt habe, wie unangemessen mein Mitteilungsdrang war. Bitte verzeihen Sie mir“, sagt Dorothee Echter. Ist man unsicher, ob die geteilten Infos wirklich schon zu viel waren, kann man auch bei Kollegen, denen man vertraut, Feedback einholen: Haben sie die Schilderungen ebenfalls als unangemessen erlebt? Passieren solche Ausrutscher eigentlich häufiger? Das zu wissen, ist sinnvoll, um gegensteuern zu können. Denn gerade im Job kann Oversharing negative Folgen haben. „Menschen berücksichtigen nicht, wie lange eine aktuelle Aussage nachwirkt“, warnt Dorothea Assig.
Nämlich oft länger als man vielleicht denkt. Das gilt nicht nur, aber auch für Selbstoffenbarungen auf Social Media, selbst wenn man hier für das ein oder andere Oversharing womöglich viele Likes und Kommentare bekommen kann. „Eine aktuelle Aussage muss die Zukunft mitdenken“, rät Echter. (dpa/tmn)

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